Blue Shell
Abtanzen im Blue Shell, am Wochenende das Bedürfnis nach ungesund lauter Musik und interessanten Menschen befriedigen. Sie sprach mich an. Warum, womit, keine Ahnung mehr. Ich erinnere mich nur noch an die wichtigen Dinge. Ute besaß kein Aussehen, sie trug eine androgyne Aura. Ein gläserner Kelch voll Benzin, wie in einem sterilen Labor. Schimmernd, von bläulichen Schlieren durchzogene Konsistenz. Eine instinktive Vorsicht im Umgang mit ihr, als könnte Reibung oder ein Funke Schlimmes bewirken. Kann es sein, dass sie erkannte, dass ich ein geeignetes Behältnis für ihren gefährlichen Inhalt sein würde? Die erste Nacht mit ihr erinnert mich an Afrika. Ich liege neben einer Löwin und blicke in gelbe Augen, verwundert über das Fehlen von Angst. Es gab kaum Außen, selbst die Wohnung, in der wir uns liebten, geschmackvoll eingerichtet, war für sie nur ein Zwischenspiel. Sie fand, aus unerfindlichem Grund, Gefallen an mir. Wir trafen uns nie am gleichen Ort, sie wechselte Wohnungen wie Kulissen während einer imaginären Vorstellung. Manchmal traf ich in diesen Wohnungen, die alle im gleichen Viertel lagen, die wir wie zufällig betraten und verließen, auf Menschen. Dann überkam mich Verwirrung und Peinlichkeit, denn, ohne ersichtlichen Grund, ich gebe dies ehrlich zu, hatte dieses Wesen die Angewohnheit, beim Sex wie ein erzürntes Tier zu schreien. Ich bin lesbisch, höre ich aus der warmen Höhle ihre Stimme, die ich nur kurz verließ, um, auch das gestehe ich, unter ihren spöttischen Blicken Fenster und Türen zu schließen. Wir müssen ins Schulz, erklärt sie mir. Sicher, antworte ich, zu allem bereit. Das Schwulen- und Lesben Zentrum ist für mich wie dasTaj Mahal, ich kenne es und war doch nie dort. Wir bestellen uns Benzin für die Seele und es dauert nicht lange, dann bin ich umringt. Ein älterer Mann, doch nur halb so alt, wie ich es heute bin, gesteht mir seine Liebe. Ich jongliere mit Worten und winde mich wie ein Wurm, sehne mich nach meiner Löwin und danke höflich ab. In einem Lebensmittelladen, der zu ihrem Viertel gehört, den abgestellte Fahrräder und gestapelte Obstkisten säumen, der eine der wenigen Rollen in ihrer Gegenwart spielt, lerne ich, ein Zufall, so wie alles, das zu dieser Zeit passiert, dass es noch weitere wie mich in ihrem Leben gibt. Max, Maxim, Maximus, sein Name begann mit dem Buchstaben M, so wie Michael. Vielleicht ist das der gemeinsame Nenner. Er wirkt schüchtern, seltsam still, in ihrem Anblick versunken.
Mein Leben nimmt seinen Lauf wieder auf, wir scheinen uns nur zufällig zu begegnen, doch das täuscht. Heute frage ich mich, worüber wir so viel sprachen, würde mich gerne in Versen oder zotigen Liedern erinnern. Maxim hat sich umgebracht. Wochen später, mehr beiläufig, zwischen zwei Zügen an der Zigarette danach, lässt sie diese Bemerkung in meine Seele fallen. Ich betrachte ihr Profil, ihre Lippen, die in meiner Erinnerung plötzlich dünn und farblos erscheinen. Sie zeigt keine Trauer, ich zeige keine Angst.
statistisch gesehen müsst ich unglücklich sein
emotional pass ich in keine Schublade rein
knallrotes Haar und viele Sommersprossen
irgendwer hat mich mit Senf beschossen
mein Typ liebt mich nur wenn ihm was steht
peinlich berührt hab ich ihn umgedreht
als Frau im Job war ich wohl unterbezahlt
meine Kollegen Machos und sandgestrahlt
mein Wohnort bisher ehr unbestimmt
zu sehr bin ich auf Bitch getrimmt
statistisch gesehen fall ich durchs Raster
für Zalandos Klamotten hab ich kein Zaster
euer cleanes Frauenbild ist mir so schnuppe
kauft euch doch ne blonde Fensterpuppe
ich spiel die Venus, die süße Falle
geduldig mir die Herzen kralle
deinen Steckbrief hab ich mit dabei
Wanted, das wann ist einerlei